Tarte au citron à la „Gustave“

Als ich an einem sehr frühen Samstagmorgen im September irgendwann Mitte der achziger Jahre nach einer unendlich erscheinenden Zugfahrt als Au-pair in Monaco ankam, nahm mich dort meine Vorgängerin unter ihre Fittiche und zeigte mir alles, was ich für die nächsten 6 Monate wissen musste.

Sie hatte auch nur einen Tag Zeit, da ich später als vorhergesehen meinen neuen Job antrat. Zu der gründlichen Einweisung gehörte es natürlich auch, das Nachtleben dieses mondänen Örtchens an der Côte d’Azur kennenzulernen. Die beste(n) Discothek(en), günstigsten Restaurants, die romantischsten Stellen am Meer, örtliche Gepflogen- und Gewohnheiten. Bei den 1,9 Quadratkilometern Größe von Monaco ist das alles in 24 Stunden machbar.

Und das nach ca. 24 Stunden Zugfahrt!

Die Nacht endete gegen 4h morgens in einem sehr feinen italienischen Restaurant … in der Küche, die wir durch den Hintereingang betraten. Dort hatte sich meine Vorgängerin in einen der Köche verliebt, von dem sie sich nun sehr schmerzlich verabschiedete. Während des tränenreichen Abschieds stand ich etwas betreten in der Küche herum. Meine Französischkenntnisse waren noch recht gering, sodass ich es nicht wagte, ein Gespräch mit den anderen „Köchen“ zu führen, geschweige denn, auf ihre Flirtversuche einzugehen. Außerdem war ich hundemüde. Mein Gesicht muss Bände gesprochen haben.

Doch Gustave wusste, was zu tun ist, um mich aus der Reserve zu locken. Er nahm ein übrig gebliebenes Stück Kuchen aus der Kühlvitrine, drapierte es geschickt auf einen Teller mit dickem Goldrand, legte Gabel und Stoffserviette dazu und stellte es vor mich hin. Sein breites Lachen mit schneeweißen Zähnen und die Bewegung, mit der er sein Trockentuch lässig auf die Schulter warf, die Arme verschränkte und sich gegen einen Tisch lehnte während er mich freundlich ansah, ließ mich dann ein wenig auftauen. Ein gelbes, glänzendes, sehr flaches Stück „Kuchen“ mit Blätterteig und einem Tupfer Eischnee lag da vor mir. Soviel konnte ich erkennen.

Eine kleine Tarte aux citrons für zwei (oder drei) Personen

Mit einem aufmunternden Kopfnicken lud Gustave mich ein, zu probieren. Eine zarte Creme mit einem recht festen Blätterteig darunter, fast wäre „es“ mir vom Teller gerutscht. Der erste Bissen ließ mich wieder wach werden. Eine buttrige, süß-zitronig saure Creme, die in Mund schmilzt und sich mit dem knusprigen Blätterteig vermählt. Ein Hauch von Vanille und kleinste Stückchen von der Zitronenschale. Bedächtig aß ich das Stück „Tarte“, wie es hieß, auf und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht. Das laute und freundliche Lachen von Gustave, während er mich beobachtete, schallt mir heute noch angenehm in den Ohren.

Ein paar Male noch besuchte ich dieses italienische Restaurant durch den Hintereingang. Aber ich früher Vogel, der schon 2 Uhr morgens heute noch für eine unerträgliche Zeit hält, war immer zu früh da und störte nur. Gustave, der Pâtissier*, gab mir aber sein Rezept mit. Dann verließ er Monaco und ging wieder in seine Heimat zurück, nach Madagaskar. SEIN Rezept für Tarte aux citrons durfte ich behalten.

Madagaskar ist bekannt für seine Vanille. Und so gab Gustave auch einen Hauch Vanille in SEINE Tarte aux citrons. Des Weiteren ist in SEINEM Lemon Curd, wie die Zitronencreme ja auf Englisch heißt, fein abgeriebene Zitronenschale, die normalerweise auch nicht zu den Zutaten gehört, dieser süßen Zitronen-/Butterbombe aber einen herrlichen Kick gibt. Und Blätterteig ist auch nicht der gewöhnliche Boden für diese süße Sünde.

Für eine Tarteform (nicht zu verwechseln mit der Kuchenform, mit der man Obstkuchenböden backt) – oder Springform brauchen wir also

1 fertigen Blätterteig (kann man natürlich auch selber machen, habe ich aber noch nicht ausprobiert)

150 g Butter

Den Saft von vier mittleren Bio-Zitronen (oder fünf, wenn sie wenig Saft haben)

Die abgeriebene Schale von 1 Bio-Zitrone

160 g Zucker

Das Mark von 1 Vanilleschote oder einen halben Teelöffel gemahlene Vanille

1 Prise Salz

3 ganze Eier

1 Eiweiß mit 1 Teelöffel Zucker für Eischnee

Den Blätterteig mit einem gut 2 cm hohen Rand in der Tarte- oder Springform bei ca. 220 Grad ca. 15 Minuten blind backen. D. h. man sticht den Teig an mehreren Stellen mit einer Gabel ein, belegt den Blätterteig mit Backpapier und bestreut das Backpapier mit Bohnen oder Linsen, damit sich der Teigboden beim Backen nicht hochwölbt. Tut er es trotzdem, mit einer Gabel einstechen und die Luft entweichen lassen. Wenn der Rand knusprig gebräunt ist, das Gebäck aus dem Ofen nehmen, den provisorischen Belag mitsamt Backpapier entfernen und das ganze auf einem Kuchengitter abkühlen lassen. Den Belag kann man aufheben und für die nächste Tarte oder Quiche aus Blätterteig verwenden. 🙂

Während der Blätterteig im Ofen ist, von einer Zitrone die gelbe Schale abreiben (nicht das weiße, das bitter ist). Die vier Zitronen auspressen und mit der Butter in einen Topf geben. Bei kleinster Temperatur Butter und Saft erwärmen, sodass die Butter schmilzt.

Die drei Eier mit dem Zucker, der Vanille, dem Zitronenabrieb und der Prise Salz gut drei Minuten lang auf höchster Stufe mit der Küchenmaschine oder dem Handmixer cremig hell aufschlagen. Der Zucker sollte sich dabei aufgelöst haben. Zu dem Butter-/Zitronengemisch in den Topf geben und bei mittlerer Temperatur mit dem Schneebesen zu einer Creme aufrühren. Bitte nicht den Handmixer nehmen! Die Temperatur drosseln, sobald die Creme anfängt zu kochen und noch eine Minuten unter ständigem Rühren köcheln lassen.

Die Creme auf dem abgekühlten Blätterteig verteilen und abkühlen lassen.

Den Teelöffel Zucker in das einzelne Eiweiß geben und so lange zu Einschnee schlagen, bis die Masse Spitzchen bildet und im Rührgefäß beim Umdrehen kleben bleibt. Eischnee in eine Garniertülle geben und die Tarte damit verzieren. Zwei Minuten unter den heißen Grill im Ofen schieben (gut beobachten, verbrennt sehr schnell) und bräunen lassen.

Und nun aufpassen, das Ihr auch ein Stück davon abbekommt!

Solltet Ihr eine kleinere Tarte machen und von der Zitronenmasse noch etwas übrig haben, füllt sie in ein Schraubglas und hebt sie im Kühlschrank auf. Auf Brötchen mit Butter gestrichen überlebt sie das erste Frühstück garantiert nicht 😉

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* ein Pâtissier kümmert sich in der gehobenen Gastronomie um die Süßspeisen,Desserts und Kuchen.

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