
Die französische Küche hat mich durch mein Leben in dieser schönen Ecke Welt natürlich stark beeinflusst. Ich bin dort mit zarten 22 Jahren gestrandet und bin geblieben, um erst 17 Jahre später meine Zelte wieder abzubrechen und zurückzukehren. So fiel natürlich meine Erwachsenen-Sozialisierung, was das Kochen und Essen betrifft, in die Frankreich-Zeit. Und ich musste (!) es lernen, sonst wäre ich dort mit wehenden Fahnen untergegangen.
Trotzdem gibt es natürlich viele leckere deutsche Gerichte, die ich liebe. Aus meiner Kindheit bleiben Erbsen- und Gemüsesuppe, rheinischer Sauerbraten mit Rosinen und Kartoffelklößen, der Burgunderbraten von Oma mit Salzkartoffeln, nach dem unser ganzes drei-etagiges Stadthaus duftete, wenn sie das Fleisch anbriet, Senfeier, Sauerkraut und Rotkohl mit Äpfeln und Panhas mit „Himmel un Ääd“ und Apfelsirup. Heringe in jeder Variante, am liebsten als frischer Matjes, den man in Holland als Doppelfilet am Fischschwanz haltend direkt aus der Hand aß.
Bei der Oma auf dem platten Land in Niedersachsen gab es einen üppigen Gemüsegarten mit allem, was sich ein Kinderherz vorstellen kann, und gefühlt an jedem Sonntag Wild zu essen. Am Fischwagen fielen ein paar Kieler Sprotten für mich ab und beim Metzgerwagen das obligatorische geräucherte Würstchen. Weitere Gemüse, bis auf Suppe, Süßspeisen und Kuchen gehörten in der Geschmacksbildungsphase nicht zu meinem Lieblingsrepertoire.
Und aus dieser Zeit ist das Labskaus geblieben, das ich als kulinairisches Highlight in nebulöser Vergangenheit an den Hamburger Landungsbrücken kennenlernte. Ein Fischrestaurant wie es dort viele gibt und Kathi vor einem Teller mit einer rötlich-braunen Masse, umringt von Rollmops, Spiegelei, roter Beete und Gewürzgurke. Das Beiwerk war ja schon mein Ding, aber dieser braune Brei? Ich hatte dieses lustig klingende Gericht selber ausgesucht, aber mit Brei hatte ich nicht gerechnet. Kann ich ja liegenlassen, wenn es nicht schmeckt. Meine Mutter hatte nie darauf gepocht, dass ich irgendetwas essen muss. Nur probieren war Pflicht und den einen Probierbissen nicht ausspucken.
Also, den obligatorischen Probierbissen tapfer in den Mund gesteckt …. Boah, das schmeckt ja! So hässlich und unappetitlich es auch aussieht! Von Klein-Kathi bekam niemand etwas ab. Die Großen mit Ihrer Aaalsuppe, in der alles möglich schwamm, sie sollten damit glücklich werden. Die Rote Grütze zum Nachtisch lehnte ich dankend ab. Zum einen war ich eh kein Dassertfan und zum anderen derartig satt, dass ich keinen Bissen mehr herunterbekommen hätte. Ich erinnere mich noch an die vorbeiziehenden Schiffe, die ich nach dem Essen leicht dösend beobachtete.
Nie habe ich mich dafür interessiert, wie Labskaus zusammengestellt ist. Ich dachte immer, so was Feines gibt es nur in Restaurants oder von irgendwelchen Küchenmagiern zusammengemixt aus der Dose. Das MUSS kompliziert sein. In Frankreich vergaß ich dieses hohe Gericht der Kulinarik, es gab ja vieles anderes zu entdecken und zu lernen. Wie zum Beispiel Taboulé oder das würzige Ratatouille von Monsieur Claude und alles andere, was ich mir bei SchwiMu Suzette, jetzt nenne ich sie endlich mal bei ihrem Namen, abguckte.
Dabei ist es so unfassbar einfach! Und eigentlich rezeptfrei nachkochbar.
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Das Was-ist-drin kann ich deswegen beantworten, das Wieviel leider nicht, denn das geht nach Gefühl und Geschmack. Also, für zwei Portionen braucht Ihr:
eine gute Handvoll geschälte Kartoffeln, also soviele wie Ihr in einer geöffneten Hand halten könnt, in Salzwasser kochen und etwas Kochwasser (das auch wichtige Minealien enthält) aufbewahren. Mit einem Kartoffelstamper stampfen oder durch eine Kartoffelpresse drücken. Niemals, ja, bitte niemals pürieren! Das ist wichtig für alle Thermodings- und Kochautomatennutzer! Das gibt grausigen Klebstoff wegen der Stärke, die in den Kartoffeln enthalten ist.
Eine mittlere Zwiebel (und nach Geschmack 1 Knobizehe) glaisig dünsten,
1 sauer eingelegte rote Beete ganz fein hacken,
vier/fünf Sardellen fein hacken, und alles zusammen mit
1 Dose Corned beef,
etwas Kartoffelwasser und
etwas Gurkenaufguss vermischen und
pfeffern. Erst einmal nicht salzen, denn in meinem Rezept sind ja Sardellen enthalten. Nachsalzen geht immer, Salz entfernen nicht.
Vorsichtig erhitzen, damit es nicht anbrennt und dann: probieren und entscheiden, was fehlt.
Mit je einem Spiegelei, saurer Gurke, eingelegter roter Beete und Rollmops hübsch anrichten und genießen.
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Mein spannendster Ausflug, um Hamburger Spezialitäten zu essen, war im Rahmen einer meiner beruflichen Tätigkeiten. Ich wurde von zwei Ägyptern gebeten, sie mit den hiesigen regionalen Spezialitäten bekannt zu machen. Eiweh! Gut, dass es da viele tolle Restaurants in Hamburg gibt. Die Speisekarte war zum Glück auf Englisch, sodass ich nicht alles übersetzen musste. Und einer meiner Gäste wählte Labskaus aus, ließ sich versichern, dass es kein Schweinefleisch enthält und aß es mit einer Begeisterung, die ich nicht für möglich gehalten hätte. 😀 . Der andere Herr nahm Rindsrouladen, runzelte aber die Stirn, als er im im Inneren auf die Salzgurke stieß. Er hat sie aber tapfer gegessen. Ich hoffe, sie haben unseren Restaurantbesuch in guter Erinnerung.