
Encornets farcis à la Sètoise. Was sind denn bitte Encornets? Das habe ich mich auch gefragt, als ich das erste Mal „Encornets farcis à la Sètoise“ gehört habe. „Cornes“, sind das nicht Hörner? Und was bitte bedeutet nach Sèter Art? Encornets, Hörner. Wie dicke, weiche, zusammengefallene Hörner sieht das, was bei Schwiegermutter Suzette da auf dem Küchentisch liegt, auch aus. Es ist aber weiß und etwas glitschig und riecht lecker nach Meer. In der Tat, es handelt es sich um Tintenfisch! Aber ohne Tentakeln und länglich.
Es gibt viele Arten von Tintenfischen. Die bekanntesten sind Sepien, Kalamare und Kraken, wobei sich Sepien und Kalamare äußerlich ähnlich sehen, einen länglichen Körper und kleine Tentakelchen und Kraken den sackartigen Körper und lange Tentakeln haben. An letztere denkt man vermutlich als erstes, wenn man „Tintenfisch“ hört. In unserem Fall handelte es sich bei dem, was es zum Mittagessen geben sollte, um Kalamare, um Encornets.
Ich werde jetzt kein Referat über diese Weichtiere ausarbeiten, sondern mich auf die Verarbeitung der Kalamare zu einem sehr leckeren Gericht konzentrieren. Bekannt sind hier wieder die klassischen, mit Ausbackteig umhüllten und frittierten, etwas gummiartigen Ringe, die auf quasi jeder Speisekarte italienischer und griechischer Restaurants stehen. Lecker, es geht aber noch besser!
Unsere etwas wabbeligen Gesellen sollten nun also auf Sèter Art zubereitet werden. Mit einer Fleischfüllung! Kalamari mit Fleisch, das schmeckt? Echt jetzt? Wie immer ging es sehr schnell und in Windeseile gab es so etwas, was wie Frikadellen-Rohmasse aussah, mit flinken Griffen in die schlappen Kalamarituben gestopft, nachdem ihnen gekonnt eine duchsichtige, sehr flache, aber stabile Art „Gräte“ entfernt wurde, in Olivenöl angebraten, mit Weißwein abgelöscht, Dosentomaten dazu, halbe Stunde auf der mit Holz befeuerten Kochhexe köcheln lassen, fertig! Die klassische Art zu kochen von Schwiegermutter Suzette. Reis dazu und … leeeecker! Maaan, das schmeckt mal wieder richtig gut!
Schwiegerpapa André kredenzte grinsend den „kräftigen Roten, der Flecken beim Kleckern macht“ in kleinen Wassergläsern dazu und Kathi musste trotz eines starken Espressos nach dem Essen einen ausgiebigen Mittagschlaf halten.
Ihr habt es erraten, der „kräftige Rote“ war der einfache, sehr dunkle und gehaltvolle Landwein aus den Weinkellern der direkten Umgebung. Sozusagen in der Nachbarschaft gewachsen und gekeltert und in den Kellereien direkt vom Fass mit einer Zapfpistole in 5- oder 10-Literkanister abgefüllt. Zuhause wurde er, wenn der Wind günstig war, d. h. sehr trocken, in 1l-Bügel-Limonadenflaschen umgefüllt und kühlschrankkalt getrunken. Alt wurde er nicht, denn Mittags und Abends gab es ein, zwei Gläschen neben einer Karaffe Leitungswasser zum Essen. Das war in den 80er Jahren noch so, hat sich aber radikal verändert. Die Kellereien mit den einfachen Landweinen haben stark abgenommen, denn der Weinkonsum ist wesentlich geringer geworden und die Nachfrage nach Qualität ist gestiegen.
Nun, Kathrin musste sich ja an die landesüblichen Gepflogenheiten gewöhnen und dazu gehörte das obligatorische kühle Glas Wein, das ich auch sehr lecker und erfrischend fand. Schwiegerpapa schmunzelte nach jedem Mittagessen, da ich Alkohol so überhaupt nicht gewohnt war, war aber der Meinung, ich müsse schließlich alles lernen, was so zu einem Leben in Südfrankreich dazu gehört. A ta santé!
Aber kommen wir zurück zu den gefüllten Kalamarituben auf Sèter Art. Sète ist eine kleine Hafenstadt am Mittelmeer unterhalb von Montpellier und Nachbarstadt von Frontignan, wo ein hervorragender weißer, likörartiger Süßwein gekeltert wird, der eisgekühlt zum Apéritiv getrunken wird. Über die Tradition des Apéro habe ich ja schon im Artikel über die Pissaladière geschrieben. Und in Sète isst man traditionell wohl mit Fleisch gefüllten Tintenfisch.

Ich fand irgendwann ein feines Rezept, dieses kulinarische Higlight nachzukochen, denn das „Bien, tu prends un peu de … et beaucoup de …“ (Gut, du nimmst etwas von … und viel …) wollte bei diesem Gericht nicht so ganz gelingen. Und so bereite ich die Encornets, die leider wirklich nicht attraktiv aussehen, aber himmlisch gut schmecken, nun zu:
Gefüllte Kalamare auf Sèter Art
für vier Personen:
- 8 Kalamarituben, die langsam, d.h. 24 Std. lang im Kühlschrank aufgetaut wurden. „Frische“ sind in unseren Breitengraden kaum zu finden und wenn ja, sollten sie, um zart zu werden, erst einmal 2 Tage eingefroren werden.
- 150 g Kalbhackfleisch. Man kann aber auch normales Gehacktes vom Rind nehmen.
- 250 g Schweinemett. SchwiMu nahm gerne anstelle von Mett feinst gehackte Knoblauchwurst, was geschmacklich einen besonderen Reiz hat.
- 1 eingeweichtes und ausgedrücktes Brötchen
- 3 Stängel Petersilie
- 2 Eier
- 1 Gläschen Cognac oder Weinbrand
- Olivenöl zum Anbraten
- 1 Zwiebel
- 2 Knoblauchzehen
- 500 g passierte Tomaten, evtl. etwas mehr je nach Topfgröße
- 200 ml Weißwein, evtl. etwas mehr je nach Topfgröße
- 2 Loorbeerblätter
- 1 Messerspitze Safran
- 1 Teelöffel getrockneten Thymian
- Chilipulver oder -flocken nach Geschmack oder 1 kleine getrocknete Chilischote, die vor dem Verzehr jedoch herausgefischt werden sollte (vor allem, wenn Kinder mitessen!)
- Salz und Pfeffer
- ca. 250 g Reis (körnigen, wie z.B. Basmatireis oder Reis aus der Camargue)
- 2 Esslöffel neutrales Öl für die Pilav-Methode
- 1 Esslöffel Butter
Für die Rouille (Safranmayonnaise):
- 1 Eigelb
- 1 Teelöffel Senf
- 1 Messerspitze Safran
- Salz
- 1 bis 2 Knoblauchzehen, je nach Geschmack
- ca. 200 ml Olivenöl
- ein Schuss Rotweinessig
Und los geht’s:

Wenn die Tuben aufgetaut sind, kann man das „Rückgrat“ erfühlen, jene harte und durchsichtige, nach Plastik aussehende dünne „Gräte“, die man sehr leicht herausziehen kann. Die Tuben unter Wasser abspülen und mit Küchenpapier trockentupfen.
Das Fleisch mit dem Brötchen, den Eiern, etwas Salz und Pfeffer und der fein gehackten Petersilie mischen. Die Tuben damit füllen. Man kann sie dann mit einem Zahnstocher verschließen, muss aber nicht sein. In Olivenöl auf allen Seiten anbraten und mit Cognac flambieren. Dafür den Cognac in die Pfanne geben, kurz bis zum Kochen bringen und dann die Flüssigkeit am besten mit einem Stabfeuerzeug anzünden. Vorsicht, die Pfanne dabei vom Herd nehmen und vor allem vom Körper weghalten! Nicht, dass die Flamme Augenbrauen, Wimpern und Stirnhaare anbrennt oder in die Dunstabzugshaube schießt und dort etwas in Brand setzt. Kurz brennen lassen, die Flamme geht von selber aus, sobald der Alkohol verbrannt ist. Die angebratenen Kalamari ruhen lassen.
In einem breiteren Topf, in dem dann auch die Kalamari nebeneinander Platz haben, die fein gewürfelte Zwiebel und Knoblauch in Olivenöl anbraten und die passierten Tomaten, den Weißwein, die Lorbeerblätter, Thymian, Chili und Safran dazugeben. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Kurz aufkochen lassen, damit das gros des Alkohols verfliegt. Die gefüllten Kalamari mit dem Pfannenfond dazugeben. Die Kalamari sollten dabei knapp mit der Tomatensauce bedeckt sein. Wenn nicht, noch etwas Tomate und Weißwein zugeben. Zudecken und 30 Minuten köcheln lassen.

Nun den Reis kochen:
Am leckersten finde ich die Pilav-Methode, bei der der Reis erst im heißen Öl leicht glasig angebraten und dann mit der doppelten Menge gesalzenem Wasser aufgegossen wird. Die Temperatur sofort herunterregeln, bedecken und dann die Zeit je nach Reissorte kochen. Zum Schluss mit einem Stück Butter verfeinern.
Die Rouille zubereiten:
Für die Rouille (Safranmayonnaise) das Eigelb, Senf, Salz, Safran und den fein zerdrückten Knoblauch mischen und mit dem Olivenöl vorsichtig mit einem Schneebesen erst tropfenweise, dann mit einem leichten Strahl zu einer Mayonnaise aufschlagen. Immer wieder so lange rühren, bis die Mayonnaise glänzt. Nach Geschmack mit einem kleinen Schuss Rotweinessig abschmecken.
Olivenöl ist nicht so emulsionsfreudig wie z. B. Sonnenblumen-, Mais- oder Distelöl. Deswegen habe ich noch nie die oft genutze schnelle Methode, Rouille mit dem Mixstab herzustellen, ausprobiert. Die Zutaten waren mir einfach zu schade und zu edel dafür. Mit etwas mehr Zeit und Geduld, und vor allem Ei und Öl bei Zimmertemperatur, klappt es aber gut. Sollte die Rouille trotzdem umkippen, d. h. nicht emulgieren, einfach ein neues Eigelb in ein sauberes Rührgefäß geben, den Schneebesen fettfrei abwaschen und die Mayonnaise noch einmal von vorne mit der umgekippten Ei-Öl-Gewürze Mischung (bevor Essig hineinkommt) erst tropfenweise, dann im leichten Strahl aufschlagen. Das mit einem Löffel heißes Wasser neu aufschlagen, wie es SchwiMu konnte, habe ich nie hinbekommen. Genauso wie Aioli nur mit Knoblauch und Olivenöl herstellen. Kann ich einfach nicht!

Weiter mit Olivenöl so lange auffüllen, bis die Rouille schön fest ist. Dann mit etwas Rotweinessig abschmecken und probieren, ob noch Salz oder etwas Senf fehlt.
Pro Person je zwei „Encornets à la Sètoise“ mit viel Sauce auf einen vorgewärmten Teller geben, eine davon in Scheiben schneiden. Den Reis dazu, der idealerweise körnig geblieben ist, einen großen Klecks Rouille und … genießen. Als Getränk ist ein gekühlter Rosé aus der Provence die perfekte Begleitung dazu.