
Mit einem kleinen und scharfen Gemüsemesserchen schält sie erst Zwiebel und Knoblauchzehen, entfernt trockene Stellen und schneidet sie dann, das Schneidbrett auf dem Schoß auf einem Faltschemel kauernd, in perfekt gleich große Würfelchen. Beinahe meditativ kommt ihr diese so alltäglich banale Tätigkeit vor. Ihre Mahlzeit ist aus dem zusammengestellt, was sie an Vorräten mitgenommen hat. Zum Einkaufen fahren, darauf hat sie heute keine Lust. Mehl, zwei Eier, leicht gesüßte Mandelmilch, Zwiebeln, Knoblauch, Salz, Pfeffer. Das sieht nach Pfannkuchen aus. In der Kühlbox sind Schinken und Käse. Das wird lecker!
Zwei Männer kommen auf dem Nachbarplatz an, der Platz, auf dem sie und ihr Mann vor drei Jahren im Platzregen „abgesoffen“ waren. Lange überlegen die beiden Neuankömmlinge, wie sie ihr Zelt aufbauen sollen, wägen Vor- und Nachteile gegeneinander ab. Sie lässt kurz vom Kochen ab und empfiehlt ihnen über die trennende Hecke, ihr Zelt nicht in der Senke aufzubauen, sondern daneben. Platz genug ist da. Der ältere der beiden nimmt den Rat dankend an. Er hätte schon bemerkt, dass es da recht feucht wäre. Die beiden scheinen erfahrene Camper zu sein, so wie sie auf das kurze Gespräch eingehen. Sie wendet sich wieder dem Kochen zu. Das, was sich die neuen Nachbarn erzählen, dringt natürlich ohne Mauer bis zu ihr ins Zelt.
„Ich hab‘ alles eingepackt, wat da lag! Alles! Wo ist denn …?“
Schinken und Käse schneidet sie mit genau so viel Ruhe und Muße auf, wie zuvor Zwiebel und Knoblauch.

„Wat können wir statt Innenzelt nehmen? Verdammt! … Diese Plane tut et doch auch, oder? Wo is der Hammer?“ „Hast du den nicht eingepackt? Den brauchen wir auch nicht bei dem weichen Boden hier.“
Die Nachbarn scheinen sich wohl doch nicht gut vorbereitet zu haben…
So wie sie vorher alle Zutaten zusammengestellt hat, sind sie wie für ein Food-Fotoshooting appetitlich aufgeschnitten. Sie öffnet die Eier, vermengt sie mit der Mandelmilch – das Süßliche verschwindet bestimmt mit den deftigen Zutaten – gibt etwas Mehl dazu …
„Scheiße, wie geht dat denn, nee, so is dat falsch! Boah, ist dat heiß unter der Zeltplane, ey, ich sterbe!“ „Ich dachte, du weißt, wie das geht!“
Das Zelt erhebt sich … genau an der Stelle, von der sie vorher abgeraten hatte. Zudem ist es ein antik anmutendes Zelt aus beschichteter Baumwolle. Vermutlich stammt es noch aus den 70er Jahren. Ohne Innenzelt und wasserfestem Boden, das sie beim Einpacken vergessen haben. Aber sie haben ja eine Plane dabei.
„Und wenn et regnet?“ „Es regnet nicht!“ entgegnet der ältere von den beiden.
Neinnein, wir haben aktuell nur ein großes Tiefdruckgebiet … Aber das Kochen ist ihr jetzt wichtiger. Salzen, pfeffern, fertig ist der Teig. Nein, noch etwas Paprikapulver. Sie gießt Öl in die Pfanne …
„Nein, ich fluch nich! So eine Scheiße!“
…der Gaskocher steht nicht ganz gerade, das Öl fließt auf eine Seite. Mit einer gefalteten Pappe unter den Füßen des Kochers ist das Problem schnell behoben.
„Ah, hier ist der Hammer! Ein Glück, is unter der Bodenoberfläche doch wat härter. … Oh man, hier sin Kinners, ob die wohl laut sind?“ „Nee, sonst sind hier nur ältere Leute!“
Danke! … Ältere Leute … Wenn die beiden wüssten, dass ihre Tochter-Familie mit den beiden Kleinkindern in zwei Tagen auch auf den Zeltplatz kommt …
Während das Öl heiß wird, labt sich eine Mücke auf ihrem Knie. Sie verscheucht das Tier, das sich ja auch nur ernähren will und beobachtet, wie der Stich schnell anschwillt und rot wird. Nebenan werden braun-beige karierte Wolldecken ausgepackt, die aus der gleichen Zeit stammen müssen, wie das Zelt.
„Da is ja‘n Loch, da kann ich nich liegen. Und ich hab mein Kopfkissen vergessen.“
Genau, das ist die Senke, in der sich bei Platzregen das Wasser sammelt. Du wirst noch Spaß haben, wenn es ordentlich gießen sollte!
Das deutlich jüngere, mit Flammen beklebte und stark motorisierte Auto einer süddeutschen Marke wird mehrmals versetzt, weil jedes Mal ein anderer ausladender Spanngurt im Weg ist.
Sie brät erst Zwiebeln und Knoblauch an und gießt den Teig in die Pfanne …
„Wie häufig geh’s du so ans Auto? So zum Musikhören und so?“ „Was?“ „Ja, Mann, wie häufig geh’se ins Auto, ey?“
Was gibt es zu Trinken? Ah, sie hat Gemüsesaft eingepackt. Wenigstens etwas Gemüse bei der Pfannkuchen-Kohlehydrat-Protein-Bombe. Schinken und Käse dazu, den Pfannkuchen zusammengeklappt und auf kleinem Feuer langsam backen. Hmm, wie das duftet! Teller raus, Besteck und Becher, nebenan rennt eine kleine Zweijährige laut kreischend vorbei.
„Alda, wie oft geht dat hier so?“
Mehrmals am Tag, lieber Nachbar, das sind eben Kinder! Der ca. fünfjährige Bruder verfolgt sie auf seinem Fahrrad mit einem markerschütternden ‘Brummbrummbrumm*Meeeeeuh*Brumm‘
„Has du die Ersatzhäringe eingepackt? Ey, der Stromanschluss, da braucht man ja ’nen Adapter!“
Sie hatte den beiden Männern auch gezeigt, wo sich die Stromsäule im brombeerpiekenden Gebüsch versteckt und ihnen angeboten, ihren Adapter auszuborgen, da sie ihn nicht braucht. Jetzt wartet sie, ob sich die beiden Kerle bei ihr melden. Minuten vergehen, sie schauen rüber, sagen aber nichts.
„Bau mal den Tisch auf! … Dem fehlt ja ’n Bein!“ „Egal, der steht auch auf drei Beinen, siehst du? Haben wir eine Tischdecke dabei?“
Der Pfannkuchen ist einfach köstlich, draußen schmeckt wirklich alles viel besser.

„Ja man, dat is kaputt, wusste ich es doch!“
Einer der Männer holt einen Grill aus vorsinntflutlichen Zeiten hervor. Die werden doch nicht …
„Ach nee, dat Ding war nur rausgekurbelt.“ „Junge, für dich ist immer alles gleich kaputt. Die wenigsten Dinge sind kaputt, man muss sie einfach nur wieder in Ordnung bringen.“
Das ist das erste, was sie von dem wesentlich älteren der beiden Männer hört, das ihr gefällt.
Ihre erste Mahlzeit in dem durch die Corona-Pandemie-Zwangspause ermöglichten Sommer-Zelturlaub sollte eigentlich ein Fest werden. Mit Bedacht und Ruhe zubereitet und friedlich genossen. Überhaupt wollte sie eigentlich zwei Wochen seltenen Urlaub genießen, das Leben an der frischen Luft und minimaler Ausstattung. Im See baden, vor dem Zelt sitzen und einfach nur gucken und lesen. Sie weiß noch nicht, ob ihre neu dazugekommenen Nachbarn sie nun zum Lachen oder zur Verzweiflung bringen werden.
„Ja, lass dir wat einfallen, ey, ich brauch jetzt ‘ne Cola!“ “Aaaah, endlich wieder zelten.“
***
Diese ist eine der noch unveröffentlichten Geschichten, wie sie in meinem
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