Aioli

Wir müssen reden! … Über: Aioli! Mir liegt da was ganz schwer auf dem Herzen. Doch, ganz ehrlich!

Aioli, was ist das? Die meisten werden sagen: Aioli ist eine Mayonnaise mit Knoblauch. Das, was es hier in Deutschland als Aioli zu kaufen gibt, ist auch Mayonnaise, meist sogar auch noch gesüßt und mit einer durch die Mayonnaise gezogenenen Knoblauchzehe, die dann aber entfernt wurde. Kurz, es ist ein kulinarisches Desaster! Wirklich, liebe Leute! Ein Desaster!

Aioli ist eine komplette Mahlzeit, ja, wirklich! Ein Festessen für große Gelegenheiten, ein Festessen, das einmal pro Jahr im Sommer stattfindet, wo alle Freunde und Familien zusammenkommen, den ganzen lieben langen Tag über zusammen sind und ausgiebig und mit viel Genuß essen. Zum Aioli eingeladen zu werden, ist schon eine Auszeichnung. „Du gehörst dazu. Du bist es uns wert, an diesem Festmahl teilzunehmen. Du bist ein Teil von uns!“

Und ein anderes Mal seid Ihr es, die zum Aioli einladen. Selbstverständlich sind die, die dich zum Aioli eingeladen haben, dabei! Ehrensache! Und auch noch viele andere Menschen, die du in dein Herz geschlossen hast, die sich um deinen großen Tisch zusammenfinden und mit dir das Leben feiern.

Es beginnt meist Mittags mit dem Apéro, den ich schon etwas ausführlicher in dem Artikel zur Pissaladiére beschrieben habe. Glaubt nicht, dass das nur ein kurzer Moment ist, nein, allein der Apéro ist schon ein Genuß für sich. Beim Apéro wartet man auch darauf, dass alle Gäste nach und nach eintreffen. Denn pünktlich oder sogar 10 Minuten vor der Zeit ankommen ist ein no-go, wirklich! Es gehört zum guten Ton, mindestens 15 Minuten später einzutreffen. Man will ja nicht der erste sein. Kommt man genau zur geladenen Uhrzeit, trifft man die Gastgeber meist noch im Küchen- oder Schlabberlook. Früher sagte man: Noch mit Lockenwicklern, Schlappen und im Unterhemd.

Irgendwann fangen alle an, zusammen mit den Gastgebern den bereits gedeckten Tisch mit den Köstlichkeiten zu beladen, die ein Aioli so bietet. Gekochtes, aber noch knackiges und appetitlich angerichtetes Gemüse als Hauptbestandteil. Dazu hart gekochte Eier, in Knoblauch gebratene Shrimps, vielleicht ein paar gekochte Meeres-Schnecken oder Muscheln, eventuell gegrilltes Hühnchen für die, die Fisch nicht so lecker finden (was aber ganz selten ist) und: Stockfisch! Das ist getrockneter, eingesalzener und somit haltbar gemachter Kabeljau, der 24 Stunden eingeweicht, entsalzt und dann mit Gewürzen gekocht wird.

Ach ja, alle Bestandteile des Aioli werden übrigens kalt genossen. Also kein Stress, dass irgendetwas nicht heiß genug serviert wird. Außerdem mag keiner bei 40 Grad Hitze warm essen.

Und die Sauce dazu : goldgelbe Aioli!

Aber bitte:

Nennt Aioli niemals eine Mayonnaise! Das würde einer Beleidigung gleichkommen.

Es ist nämlich keine Mayonnaise! Es ist eine Sauce oder auch Creme.

Nun wird über zwei, drei Stunden in aller Langsamkeit und mit viel Muße gegessen, genossen, eingetaucht, die Finger abgeleckt, nachgenommen, geschwatzt, gelacht, sich zugeprostet, diskutiert, geneckt und das Leben einfach nur gelebt.

Irgendwann steigt natürlich allen der gekühlte, fruchtige und reichlich fließende Rosé zu Kopf, die Stimmung ist locker und entspannt. Die obligatorische Käseplatte macht die Runde, um das Festessen abzuschließen. Jeder stöhnt, man könne nun wirklich nichts mehr essen, aber so ein kleines Stück Käse … Nach einem kleinen, bescheidenen Dessert, das meist aus Eis und Früchten besteht – mehr geht nun wirklich nicht – wird abgefragt, wer denn einen kleinen Kaffee (Espresso) möchte. Und wer einen „pousse café“ wünscht, also einen „Kaffee-Schubser“, heißt: ein kleiner Cognac, ein Calvados, Grappa oder anderer Alkohol „zum Verdauen“. Nun gehen die einen zum Boulespielen, andere ziehen sich an schattige Plätze zurück und schwatzen weiter. Ein paar ganz Mutige nicken auf ihren Stühlen kurz ein, die Tapferen helfen, den Tisch abzudecken und haben so in der Küche die besten Gespräche „entre nous“, also, in ganzer Vertrautheit und unter vier Augen.

Inzwischen ist es 18 Uhr geworden, vielleicht 19 Uhr und die obligatorische Frage wird gestellt: „Ben, c’est l’heure, on prend l’apéro? (So, es ist Zeit, nehmen wir schon mal einen Apéro?) 😉

Wie Ihr seht, ist der Hauptbestandteil gekochtes Gemüse: Blumenkohl, Karotten, Kartoffeln, grüne Bohnen, rote Beete, Mairübchen, Artischocken, Kohlrabi, weiße milde Gemüsezwiebeln … eigentlich alles, was der Markt hergibt und was auch gekocht fest und knackig bleibt. Deswegen Vorsicht beim Kochen, immer wieder prüfen, dass das Gemüse noch Biss hat. Eher zu früh aus dem Salzwasser nehmen, als gefühlt durchgegart. Gemüse gart ja auch noch nach dem Kochen nach.

Für vier Personen:

Ein ganzer Blumenkohl wird mit einer Messerspitze Natron und Zitronensaft gekocht, so bleibt er schön weiß.

400g grüne Bohnen unbedingt ohne Deckel auf dem Topf kochen, damit sie nicht zu heiß werden und ihre schöne grüne Farbe behalten.

An den 8 zarten Bundmöhrchen ein kleines Stück grünen Stiel für die Optik dranlassen. Diese auch gerade eben garen. Bei

den zwei Artischocken die obere Hälfte der Blätter mit einem scharfen Sägemesser abschneiden, die äußeren Blätter abzupfen und ein Stückchen vom Stiel dranlassen, der geschält wird. Die Artischocken brauchen gut 25 Minuten, bis sie gar sind. Wenn man die Blätter leicht abzupfen kann, könnt Ihr sie abtropfen lassen.

Die 8 Kartoffeln kochen,

den halbierten oder geviertelten Kohlrabi (auch mit einer Prise Natron),

die 4 geschälten Mairübchen,

die 2 halbierten Zwiebeln und die

4 rote Beete (oder gleich gekochte kaufen, aber nicht die sauer eingelegte bitte).

!!! Auberginen, Zucchini, Tomaten und alles, was weich wird, gehört NICHT zum Aioli !!!

Das Gemüse auf einer großen Platte anrichten und abkühlen lassen.

4 Eier hart kochen und habieren.

2 Hähnchenschenkel – wenn man sie dabei haben möchte – nach Geschmack würzen und im Ofen braten. Sehr lecker ist es, wenn man sie vor dem braten mit Olivenöl einpinselt, mit Kräutern der Provence und etwas Salz würzt. Auch abkühlen lassen.

Statt Stockfisch, der hier in Deutschland schwer zu bekommen ist und der wenn, dann sehr teuer ist, nehmen wir

300g Kabeljau als Filet oder in Stücken, die in einem Sud aus Fischkräutern (gibt es fertig zu kaufen) und einer in Scheiben geschnittenen Zitrone 5 bis 15 Minuten, je nachdem ob Filet oder Stück, bei kleiner „Flamme“ ziehen. Nicht kochen bitte, das trocknet sie zu stark aus.

So viele Shrimps wie Ihr mögt in Olivenöl und gepresstem Knoblauch kurz und scharf braten.

400g Muscheln kochen. Meeresschnecken sind auch extrem schwer zu bekommen, wir lassen sie dann halt weg.

Kabeljau, Shrimps und Muscheln auf einer Platte anrichten und auch abkühlen lassen.

Wenn Euch das jetzt viel zu viel erscheint, dann sucht Euch aus dem Zutaten heraus, was Euch schmeckt. In Südfrankreich ist man tatsächlich in der Lage, so viele köstliche Sachen in mehreren Stunden zu verschmausen!

Und nun ein Tusch bitte, das Aioli:

Für vier Portionen brauchen wir

zwei mittlere gekochte und abgekühlte Kartoffeln,

6 bis 8 Zehen Knoblauch, je nachdem wie mutig Ihr seid,

zwei frische Eigelb und

einen halben Liter Olivenöl,

einen knapp gestrichenen Teelöffel Salz und wenn es nicht scharf genug sein kann, noch

Cayennepfeffer.

Perfekt wären ein Mörser und eine Kartoffelpresse, geht aber auch ohne.

4 bis 6 durch die Knoblauchpresse gedrückte Knoblauchzehen werden im Mörser zu einer glatten, glänzenden Creme verarbeitet. Danach die Kartoffeln dazuquetschen, weiterrühren und dann die beiden Eigelb. Im perfekten Zustand ist es nun eine glatte schön gelbe Creme ohne Klümpchen. Ohne Mörser wird es eben etwas grober in der Konsistenz, schmeckt aber genauso gut. Wenn Ihr keinen großen Mörser mit viel Platz habt, gebt Ihr die Creme in eine Schüssel und rührt nun das Olivenöl mit einem Schneebesen oder einem Holzlöffel nach und nach unter die Creme, die im Idealfall nun schön fest wird. Nun kommt mein kleines Geschmacksgeheimnis: Ihr fritiert ein oder zwei (je nachdem wie mutig Ihr seid) durchgedrückte Knoblauchzehen in etwas Olivenöl und rührt diesen zart gebräunten Knoblauch, wenn er erkaltet ist, mit dem Fritieröl unter die Aiolicreme. Das ist der geschmackliche Clou!

Bitte versucht niemals (!), Aioli auf Kartoffelbasis mit einem Mixer zu machen. Damit es schneller geht oder so. Die Kartoffeln werden im Mixer schleimig und zäh und Ihr bekommt ein zwar glattes, aber unangenehm glitschiges Aioli.

Aioli braucht Zeit, ein wenig Ausdauer und Liebe. Früher bestand es sogar nur aus Knoblauch, Salz und Olivenöl, wurde mit viel Geduld und Muskelkraft im Mörser zubereitet. Aber dieses Wissen, damit es auch eine perfekte Creme wird, ist wohl verlorengegangen. Selbst Alain Ducasse, einer der großen Küchengenies Frankreichs, bereitet die Aiolicreme wie hier beschrieben zu.

Dazu Baguette oder Olivenbrot.

Und nun: Guten Appetit bei viel Zeit und einer wunderbar geselligen Runde an einem sonnigen Nachmittag nach Möglichkeit an einem schattigen Plätzchen im Garten.

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